Wie wir Lebenschancen in Peru schaffen

Einschränkungen infolge der Corona-Pandemie
Peru gehörte 2020/21 zu den am stärksten von der Pandemie betroffenen Ländern: Es gab hier pro 100.000 Einwohner weltweit die höchste Zahl von Toten infolge von Covid-19-Infektionen und dabei fast doppelt soviele wie in Deutschland. In Peru ist im Januar und Februar ja Sommer, und die Schulen haben dann große Ferien. Eigentlich waren ab Mitte März 2020 weitere Aufklärungen in Vollzeitberufsschulen vorgesehen sowie eine Kampagne für mehr Jugendaufklärung. Die waren wegen des Corona-Lockdowns aber nicht möglich. Fortgesetzt wurden nach einer längeren Unterbre- chung aber die Informationen und Beratungen über Verhütungs-  möglichkeiten und zum Vorgehen bei häuslicher Gewalt durch die früher dazu ausgebildeten ehrenamtlichen Gesundheitsberate- rinnen. Unser Angebot, die entwickelten Rundfunksendungen erneut auszustrahlen, wurde nicht aufgegriffen, weil man jetzt andere Sorgen habe. Bisher wurden keine Finanzierungen weiterer Aufklärungsmaßnahmen angefragt.

Ehrenamtliche Gesundheitsberaterinnen eines Armenviertels von Trujillo nach dem Erhalt der von Lebenschancen finanzierten Schutzmasken mit Seife und Desinfektionsmitteln im Beutel. Sie gehören eigentlich zum staatlichen Gesundheitswesen, haben von diesem zunächst aber keine
Mittel zur Vermeidung von Ansteckungen mit dem Corona-Virus bei ihren Beratungen erhalten.
(Foto: NRO Micaela Bastidas, Peru)

Aufklärung zur Vermeidung früher und ungewollter Schwangerschaften
und Prävention von HIV/Aids

Nach zwei kleinen Projekten zur Aufklärung von Jugendlichen in Dörfern in den nordwestlichen Anden haben wir 2010-19 Projekte für die Aufklärung von Jugendlichen und Erwachsenen in der Großstadt Trujillo (800.000 Einwohner) und zeitweilig in einer benachbarten ländlichen Region gefördert.

 In Trujillo lag der Schwerpunkt zunächst in den Armenvierteln. Ansatz waren dort 50 ehrenamtliche Laien-Gesundheitsberaterinnen, die für Hilfen bei alltäglichen Gesundheitsproblemen vom peruanischen Staat ausgebildet werden, aber nicht für Jugendaufklärung, Beratungen zur Familienplanung und nicht für die Beratung von Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind (s. unten).  Die Gesundheitsberaterinnen betreuen jeweils ca. 2.000 Familien in ihrem Wohnviertel, haben Sprechstunden oder gehen auf Anfrage in die Familien mit Gesundheitsproblemen. Bei größeren Problemen verweisen sie die Betroffenen an die Gesundheitsstationen. Sie wurden in Projekten von Lebenschancen International zu Informationen und Beratungen über die Entstehung von Schwangerschaften und Möglichkeiten der Verhütung fortgebildet. Auch wurden durch die leitende Psychologin Vorträge zur Aufklärung an den Schulen der beiden Armenviertel gehalten.

Außerdem wurden eine Serie von 12 Rundfunksendungen mit Verweis auf die gegebenen Beratungsdienste entwickelt und durch lokale Sender  ausgestrahlt (Titel: Trau Dich zu fragen), 12.000 Faltblätter zum „Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit“ (will heißen: Recht auf Verhütung) verteilt und 2.000 Poster dazu ausgehängt.

In der ländlichen Region wurden ebenfalls die Gesundheitsberaterinnen entsprechend fortgebildet. Außerdem gab es intensive Maßnahmen für die 7.-10. Klassen von zwei Schulen

  • mit Ausbildung von Schüler/innen für die Aufklärung der Gleichaltrigen und der Entwicklung von 12 Rundfunksendungen speziell für Jugendliche
  • Einbeziehung von Eltern, Lehrer/innen und Schulleitungen mit dem Ergebnis
  • der Einrichtung eines alljährlichen, schulöffentlichen „Tages der reproduktiven Gesundheit“.

2019 wurden Kurse zur Aufklärung und Ablehnung sexueller Belästigungen sowie Beratung von Opfern für auszubildende Sekretärinnen und Kindergärtnerinnen von drei Vollzeitberufsschulen sowie Studierende in Trujillo durchgeführt. Dabei wurden auch Opfer von Gewalt betreut und ein Handbuch für entsprechende Informationen in anderen Bildungseinrichtungen erstellt.

Aufklärungsvortrag der leitenden Psychologin des Projekts für Mädchen einer 6. und 7. Klasse. Alle hören gespannt zu.
(Fotos: NRO Micaela Bastidas, Peru)
Radio-Interview mit der Projektleiterin vor der Ausstrahlung von 12 Rundfunksendungen zum Recht auf „reproduktive Gesundheit“ bzw. Empfängnisverhütung

Einrichtung und Vernetzung von Beratungsdiensten und Hilfen
für von Missbrauch und Gewalt Betroffene

Die Gesundheitsberaterinnen hatten festgestellt, dass viele von häuslicher Gewalt betroffene Frauen nicht wissen, dass sie die Täter anzeigen können und sollten. Viele befürchten eine  Rache oder den Verlust des Unterhalts des Mannes oder dass dessen Aussagen vor Gericht höher bewertet werden als ihre eigenen. Entsprechendes gilt für die Fälle des verbreiteten Missbrauchs von Mädchen. Die Beraterinnen haben dann Lebenschancen International gefragt, ob wir nicht Maßnahmen finanzieren könnten, mit denen Anzeigen der Täter und Hilfen für die Betroffenen ermöglicht oder erleichtert werden können.

2012 wurde ein entsprechendes Projekt zur Sensibilisierung von Mitarbeiter/innen einschlägiger Institutionen und Frauengruppen, Schaffung eines Netzes von Beratungsdiensten und Realisierung der Gesetzeslage durch Polizei und Justiz für ganz Trujillo durchgeführt.

Maßnahmen waren:

  • Entwicklung eines Handbuches zum Thema “Stärkung der Kompetenzen für die Beendigung der Gewalt an Frauen” unter Berücksichtigung des „Machismo“ (Männervorrechte und Männerherrschaft) mit Abdruck von Dokumenten zur Rechtslage
  • Durchführung von fünf Seminaren für verschiedene, dazu wichtige Personenkreise, zum Teil unter Leitung einer renommierten Juristin für Frauenrechte in Peru
  • 115 Teilnehmer/innen: Leitende Mitarbeiter/innen von Justiz und Polizei, des Gesundheits- und Schulwesens, Jura-Student/innen, Vertreterinnen des regionalen Frauenrates, von Frauenverbänden und Elternvereinigungen
  • Abgabe des Handbuches an diese und andere Schlüsselpersonen
  • Aufbau eines Netzwerkes einschlägiger Stellen von Gesundheitsdiensten, Rechtsberatungen, Polizei und Justiz mit Erfassung aller Fälle und der jeweils eingeleiteten Maßnahmen.
Seminar für Polizist/innen und Jura-Student/innen über die verbreitete Gewalt an Frauen und die Notwendigkeit, die Betroffenen zu Anzeigen der Täter zu ermutigen und zu beraten.
(Fotos: NRO Micaela Bastidas)
Titelseite des Faltblattes und Posters mit Hinweis auf die Rundfunksendungen. Text in Deutsch:
Für das Recht auf ein Leben ohne Gewalt.

Informationen über die Illegalität von Missbrauch und Gewalt an Frauen

Nach der Sensibilisierung der Mitarbeiter/innen einschlägiger Institutionen und der Schaffung eines Netzwerkes von Beratungsstellen wurden die verbreiteten Probleme von Missbrauch und Gewalt an Frauen mit den folgenden Maßnahmen publik gemacht und  dabei auf die Hilfsmöglichkeiten verwiesen :

  • Entwicklung und Ausstrahlung von 12 Rundfunksendungen zu den Problemen, den Beratungsdiensten und der Notwendigkeit, die Täter anzuzeigen
  • Erstellung und Verteilung von 3.000 Faltblättern und 1.500 Postern dazu
  • Ausbildung von 35 Gesundheitsberaterinnen aus ganz Trujillo und von zehn Jugendlichen aus den Armenvierteln zum Umgang mit Betroffenen sowie zu deren Ermutigung, Beratungsdienste aufzusuchen und die Täter anzuzeigen.

Nachdem Dozentinnen der drei Universitäten von Trujillo von den Problemen und Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbrauch und der Gewalt an Frauen gehört hatten, wandten sie sich mit einem analogen Problem an Lebenschancen International. Es ging um die an den Universitäten verbreitete sexuelle Belästigung oder sogar Nötigung von Studentinnen durch männliche Dozenten. Diese können mit der Androhung schlechter Benotungen leicht Druck machen, wenn die Studentinnen nicht ihre sexuellen Wünsche erfüllen wollen.

Maßnahmen waren:
– Ausbildung von zweimal 20 Studentinnen sowie Mitarbeiterinnen der Universitäten zu Ansprechpartnerinnen für Betroffene
Bekanntgabe der Probleme und Beratungsmöglichkeiten in den Universitäten und durch die Medien.

Gruppenarbeit ehrenamtlicher Gesundheitsberaterinnen bei der Ausbildung zur Unterstützung von Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind.
(Fotos: NRO Micaela Bastidas, Peru)
Schulung von Studentinnen und Mitarbeiterinnen für die Beratung von Opfern sexueller Belästigung und Nötigung an der staatlichen Universität von Trujillo